Mehrarbeit/Überstunden und Arbeitszeitkonten:
Definition: Mehrarbeit sind die Arbeitsstunden, die Teilzeitbeschäftigte über die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinaus bis zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten leisten.
(siehe TV-L § 7 Abs. 6)
Definition: Überstunden sind die auf Anordnung des Arbeitgebers geleisteten Arbeitsstunden, die über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten für die Woche dienstplanmäßig beziehungsweise betriebsüblich festgesetzten Arbeitsstunden hinausgehen und nicht bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen werden.
(siehe TV-L § 7 Abs. 7)
Änderung der Gesetzeslage: Die Unterscheidung zwischen Mehrarbeit und Überstunden hatte bis Ende 2018 einen Grund. Für Überstunden gab es Zeitzuschläge, wenn die Überstunden nicht in der Folgewoche ausgeglichen werden konnten. Bei Mehrarbeit gab es diese Zeitzuschläge nicht. Diese Diskriminierung zwischen Teilzeitbeschäftigten und Vollbeschäftigten ist durch ein Bundesarbeitsgerichtsurteil vom Dezember 2018 (10 AZR 231/18) behoben worden. So müssen Teilzeitbeschäftigte teilweise, genau wie Vollbeschäftigte über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus arbeiten und für diese zusätzliche Arbeitszeit besteht nicht mit der ersten Stunde eine Zuschlagspflicht. Verhindert werden soll damit ebenfalls, dass Arbeitsverträge mit wenigen Wochenstunden vereinbart werden und stetig Mehrarbeit abgerufen wird - ohne Zuschläge zahlen zu müssen.
Die DVO (Dienstvertragsordnung) regelt, dass Überstunden (seit 12/2018 auch Mehrarbeit) grundsätzlich durch entsprechende Arbeitsbefreiung auszugleichen sind. Besteht diese Möglichkeit des Zeitausgleichs nicht in der Folgewoche, so werden Zuschläge pflichtig.
Dies gilt auch dann, wenn Arbeitszeitkonten bestehen, wie es im Kirchenkreis Göttingen seit 2016 der Fall ist. Die Zuschläge für jede geleistete Überstunde/Mehrarbeit betragen eine viertel Stunden (25%).
Wird im besonderen Ausnahmefall Mehrarbeit/Überstunden nicht auf das Arbeitszeitkonto gebucht - oder werden Mehrarbeit/Überstunden vom Arbeitszeitkonto ausgezahlt, so erhälten Beschäftigte je Stunde den auf eine Stunde entfallenden Anteil des Tabellenentgelts der jeweiligen Entgeltgruppe und Stufe, höchstens jedoch nach der Stufe 4, zuzüglich des Zeitzuschlags nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a TV-L.
Verpflichtung zu Mehrarbeit und Überstunden:
"Beschäftigte sind im Rahmen begründeter betrieblicher/dienstlicher Notwendigkeiten zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht-,
Schichtarbeit verpflichtet." so steht es im TV-L § 6 Abs. 5.
Etwas anders ist es bei den Teilzeitbeschäftigten geregelt. Teilzeitbeschäftigte sind nur mit Ihrer Zustimmung zu Rufbereitschaft, Überstunden und Mehrarbeit verpflichtet. Es sei denn im Arbeitsvertrag ist die Verpflichtung zu Mehrarbeit und Überstunden geregelt. Im TV-L heißt es deshalb im § 6 Abs. 5 weiter: die Teilzeitbeschäftigten sind "aufgrund arbeitsvertraglicher Regelung oder mit ihrer Zustimmung - zu Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Überstunden und Mehrarbeit verpflichtet."
Steht im Arbeitsvertrag eine entsprechenden Vertragsklausel, sollte insbesondere auch ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 07.12.2005 (5AZR 535/04), welches durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 23.11.2006 (1 BvR 1909/06) bestätigt wurde, beachtet werden. Das BAG hat festgestellt, dass bei einer Vereinbarung von Arbeit auf Abruf die einseitig vom Arbeitgeber abrufbare Arbeit des Arbeitnehmers nicht mehr als 25% der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit betragen darf. Diese Grenze ist bei Beschäftigten mit einem geringen Stundenumfang schnell erreicht.
Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden:
Auch wenn es die Verpflichtung zu Mehrarbeit und Überstunden gibt, heißt das nicht, dass der Arbeitgeber diese willkürlich anordnen darf. Der TV-L lässt Überstunden und Mehrarbeit nur im Rahmen begründeter betrieblicher/dienstlicher Notwendigkeiten zu. In der Gewerbeordnung (GewO) im § 106 Weisungsrecht steht: "Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind."
Diese beschriebene "Billigkeit" ergänzt das geschriebene Recht, um Härten zu vermeiden oder sie zu mildern. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung bzw. Situationsrecht (vergleichbar mit Situationsethik). Billigkeit ist also die feinjustierte und deshalb zielgenauere Gerechtigkeit. Billigkeit erfordert eine „Prüfung und Abwägung der objektiven wirtschaftlichen Interessenlage (…) bei den beiden Vertragspartnern“, ist also letztlich auf die Erzielung einer Gerechtigkeit im Einzelfall ausgerichtet. Der Berechtigte darf also nicht nur seine eigenen Interessen verfolgen, sondern muss die Belange des Vertragspartners in seine Abwägung einbeziehen." (Quelle: Wikipedia)(siehe § 315 BGB)
Bei Dienstreisen wird die Zeit der dienstlichen Inanspruchnahme am auswärtigen Geschäftsort und die Zeit der Hin- und Rückreise zum und vom Geschäftsort einschließlich der erforderlichen Wartezeiten berücksichtigt, höchstens für jeden Tag bis zu elf Stunden. (siehe DVO § 11 Abs. 3)
Erkrankung während Freizeitausgleichs von Mehrarbeit/Überstunden:
Im Kirchenkreis Göttingen sind Arbeitszeitkonten eingeführt. Seitdem gilt: Bei einer Erkrankung während des Freizeitausgleiches, muss dieses dem Arbeitgeber unverzüglich mitgeteilt und durch ärztliches Attest nachgewiesen werden, um die Abbuchung vom Arbeitszeitkonto zu verhindern. Im TV-L § 10 Abs. 4 heißt es dazu: "Im Falle einer unverzüglich angezeigten und durch ärztliches Attest nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeit während des Zeitausgleichs vom Arbeitszeitkonto (...) tritt eine Minderung des Zeitguthabens nicht ein."
Besteht jedoch kein Arbeitszeitkonto und es tritt eine Arbeitsunfähigkeit ein, nachdem der Freistellungszeitraum wirksam festgelegt wurde, gelten die Überstunden als ausgeglichen, auch wenn der Mitarbeiter für den gesamten Freistellungszeitraum erkrankt.
Etwas anderes kann nur gelten, wenn die Freistellung nicht nur dem Ausgleich von Überstunden dienen, sondern dem Mitarbeiter auch eine zu Erholungszwecken nutzbare freie Zeit verschaffen soll. Wenn dies nicht ausdrücklich mit dem Arbeitgeber vereinbart wurde, braucht er Ihnen also trotz Krankheit keinen erneuten Freizeitausgleich gewähren.
Seit 2016 sind in den meisten Einrichtungen des Kirchenkreises Göttingen Arbeitszeitkonten nach § 10 TV- L eingeführt worden. Mehr dazu unter Arbeitszeitkonten.
Letzte Änderung am 15.09.2021 |